Umweltpolitik im Aquarium
Obwohl diese Session wegen Corona besonders war – die Parlamentarier*innen kamen sich wie Tiere in einem Aquarium vor – waren auch wichtige umweltpolitische Themen auf der Agenda der beiden eidgenössischen Räte.

Parlament verabschiedet CO2-Gesetz
Das Pariser Klimaabkommen umsetzen – ein Unterfangen, mit dem sich das eidgenössische Parlament lange schwertat. Nach über drei Jahren Beratung konnten sich die beiden Kammern in der vergangenen Session auf ein neues CO2-Gesetz einigen. In der letzten Legislatur wurde der Entwurf abgelehnt: Die Ratslinke sah darin einen Rückschritt, unter anderem wegen fehlenden Inlandzielen, die Ratsrechte wollte sowieso nichts ändern.
Das von den beiden Kammern nun beschlossene Gesetz verlangt eine Reduktion der Treibhausgasemissionen auf höchstens 50 Prozent des Wertes von 1990, wobei mindestens 75 Prozent der Verminderung im Inland geschehen soll. Zu den Massnahmen zählen unter anderem ein Verbot von fossilen Heizungen für Neubauten ab 2023, eine Deckelung des Durchschnittswertes von Neuwagen von 95 g CO2/km zwischen 2021 und 2024 sowie eine weitere Reduktion danach. Auch Teil des Massnahmepakets ist eine Flugticketabgabe. Diese beträgt zwischen 30 und 120 CHF für Tickets und 500 bis 3000 CHF für Privatflieger – ein Punkt, zu dem sich die beiden Räte erst bei der Einigungskonferenz durchringen konnten. Der Ständerat wollte ursprünglich nur eine Abgabe von 500 CHF, während der Nationalrat sich für 500 – 5000 CHF einsetzte.
Im Nationalrat haben 129 Parlamentarier*innen zugestimmt während 59 dagegen waren. Die Nein Stimmen kamen hauptsächlich aus der SVP-Fraktion mit Ausnahme des Berner Nationalrats Erich von Siebenthal, der die Vorlage annahm. Auch aus der FDP gab es einzelne ablehnende Stimmen, wie beispielsweise diejenige von Christian Wasserfallen, welcher sich gegen die klimafreundliche Umwandlung seiner Partei wehrte.
In der Schwesterkammer lehnten gerade mal fünf Ständeräte die Vorlage ab. Hier gab es sogar zwei Befürworter aus dem Lager der SVP mit Alex Kuprecht (SZ) sowie Jakob Stark (TG). Ein Nein kam auch aus den Reihen der FDP: Der Aargauer Ständerat Thierry Burkart war mit dem Gesetz nicht zufrieden.
Noch tritt das Gesetz nicht in Kraft. Die Erdöllobby mit der SVP sowie die Klimastreikenden aus der Romondie wollen das Referendum ergreifen – den einen geht es zu weit, den anderen ist es zu zahm.
Halbherziger Trinkwasserschutz
Der Ständerat spricht sich halbherzig für mehr Trinkwasserschutz aus. Er lehnt die Trinkwasser-Initiative und die Pestizidverbots-Initiative ab. Als inoffiziellen Gegenvorschlag zu den Initiativen hat die Wirtschaftskommission des Rats einen eigenen Gesetzesentwurf präsentiert. Diesen nimmt der Ständerat zwar an, aber nur in abgeschwächter Form: Er streicht daraus Zielwerte und Fristen für den Verlust von Phosphor und Stickstoff beim Düngen. Konkretere Vorgaben solle später der Bundesrat festlegen. Der Ständerat hat auch eine Lenkungsabgabe aus der Vorlage entfernt, für den Fall, dass die Vorgaben nicht erreicht werden können.
Der Gesetzesentwurf geht nun an den Nationalrat, dieser hat bereits beschlossen, die beiden Volksinitiativen zur Ablehnung zu empfehlen.

Ausserdem hat der Ständerat eine Motion angenommen, die verlangt, dass der Bund sich mit 40 Prozent an den Kosten zum Schutz von Grundwasserfassungen beteiligt. Als nächstes entscheidet der Nationalrat über den Vorstoss.
Abgelehnt hat der Ständerat zwei Postulate, die vom Bundesrat Berichte zum Thema Chlorothalonil und Wassermanagement forderten. In beiden Fällen seien bereits Abklärungen am laufen, versprach der Bundesrat.
Ständerat will Foodwaste verhindern
Der Ständerat hat eine Motion des Zuger CVP-Politikers Peter Hegglin angenommen, welche einen steuerlichen Vorteil vorsieht, wenn nicht mehr verkaufbare Lebensmittel an gemeinnützige Organisationen gespendet werden anstatt sie wegzuwerfen. 19 Ständeräte waren dafür, 17 dagegen. Die Abstimmung erfolgte anonym. Als nächstes muss der Nationalrat über die Motion befinden.
Der Nationalrat will etwas gegen Mikroplastik unternehmen und Plastik flächendeckend Sammeln
Der Nationalrat verlangt vom Bundesrat einen Bericht zum Thema «Mikroplastik durch Reifenabrieb». Er nahm ein Postulat der Freiburger SP-Parlamentarierin Ursula Schneider Schüttel mit 126 zu 56 Stimmen an. Dagegen war die SVP, sowie Teile der FDP und CVP. Reifenabrieb auf Strassen gilt als die grösste Quelle von Mikroplastik in der Umwelt.
Diskussionslos wurde ein Vorstoss angenommen der forderte, neben PET-Flaschen auch andere Plastikabfälle flächendeckend separat zu sammeln und zu recyclen. Der Nationalrat nahm die Motion des St. Galler FDP-Politikers Marcel Dobler stillschweigende an. Beide Vorstösse gehen nun in den Ständerat.
Energiewende
Sowohl der National- als auch der Ständerat befassten sich in der Herbstsession mit der Energiewende. Eine Mehrheit des Nationalrats will grosse Fotovoltaik-Anlagen ohne Eigenverbrauch mit einer höheren Einmalvergütung unterstützen, um brachliegende Dachflächen besser zu nutzen. Die parlamentarische Initiative der Energiekommission wurde ohne Gegenantrag angenommen. Als nächstes entscheidet nun der Ständerat darüber.

Ebenfalls angenommen wurde das Postulat von Nadine Masshardt: Der Bundesrat soll in einem Bericht klären, wie viele Arbeitsplätze mit der Förderung erneuerbarer Energien und Energieeffizienz in der Schweiz geschaffen werden können – im Vergleich zur Förderung von fossilen Energieträgern im Ausland. Die SVP war als einzige Partei geschlossen dagegen und wurde einzig von vier FDP-Mitgliedern unterstützt. Bei einem Postulat braucht es nur die Zustimmung eines Rats.
Der Ständerat ist dem Nationalrat gefolgt und hat die Frist für die Forschung zur Energiewende ebenfalls auf acht Jahre gekürzt, damit das Geld bereits in dieser Zeit ausgegeben werden kann.
Biomassenanlagen sollen auch in Zukunft genug Geld erhalten, um wirtschaftlich betrieben werden zu können. In diesem Anlagen wird Gas, Strom und Wärme aus Gülle und Grüngut oder Holz hergestellt. Der Ständerat hat eine Motion des Appenzell Innerrhodener CVP-Politikers Daniel Fässler einstimmig angenommen.
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