Intensive Landwirtschaft bedroht Vogelarten

In den letzten Jahrzehnten hat sich die Landwirtschaft zunehmend intensiviert – die Artenvielfalt der Kulturlandschaft nimmt seit 1950 deutlich ab. Die Zerstörung wichtiger biologischer Strukturen und der Einsatz von Kunstdünger und Pestiziden bedroht verschiedene Vogelarten.
Im November vergangenen Jahres titelte das Schweizer Fernsehen: «Der Zustand der Vogelwelt in der Schweiz ist beunruhigend». 40 Prozent der einheimischen Vögel sind gefährdet – trotz Anstrengungen von Bund, Kantonen und Organisationen. Hauptverantwortlich für diese Entwicklung ist die intensive Landwirtschaft.
Die Zeiten des kleinen Bauernhofs, auf dem noch vieles handgefertigt wurde, sind definitiv vorbei. Die Zahl der Bauernhöfe nimmt ab, zugleich werden die noch bestehenden Landwirtschaftsbetriebe immer grösser. Um die grossen Flächen bewältigen zu können, werden schwerere, schnellere und schlagkräftigere Maschinen eingesetzt. Das Vieh wird mit Kraftfutter gefüttert, produziert mehr Mist und die daraus gewonnene Gülle weist hohe Werte von Medikamenten wie Antibiotika auf.
Für die grösseren Maschinen sind Kleinstrukturen ein Hindernis. Deshalb werden Steine und Sträucher heute auch in den Berggebieten entfernt. Solche Kleinstrukturen sind aber wichtige Lebensräume für Kleintiere und Brutplätze für Vögel. Die extensive Landwirtschaft hat einen direkten Einfluss auf verschiedene in der Schweiz heimischen Vogelarten.
Zu häufiger Wiesenschnitt bedroht die Feldlerche
Bestandesindex Feldlerche Schweiz
Hinzu kommt, dass aufgrund der steigenden Anzahl Kühe der Futterbedarf steigt und deshalb die Wiesen schon viel früher und häufiger gemäht werden. Der erste Wiesenschnitt fällt dabei bereits vor die Brutzeit der Wiesenbrüter, wie beispielsweise der Feldlerche. Und auch während dem Brüten werden die Wiesen geschnitten. Das hat Folgen: Unzählige Bruten und brütende Altvögel werden vermäht. Die Bestände brechen zusammen. So gab es zwischen 2013 und 2016 nur noch ca. 25’000 – 30’000 Feldlerchenpaare. 1990 waren es noch fast doppelt so viele, wie in der Grafik ersichtlich ist.
Starker Insektenrückgang in der Kulturlandschaft
Ein weiteres Problem der intensivierten Landwirtschaft ist der Einsatz von Pestiziden. Während diese in den letzten Jahren immer toxischer wurden, nahm die Intensität ihrer Nutzung aber kaum ab. Zusätzlich werden diese Substanzen vermehrt auch im privaten Kontext eingesetzt. Der intensive Einsatz der Pestizide in der Landwirtschaft hat zur Folge, dass die Biomasse der Insekten in Deutschland in den letzten 30 Jahren um 75 Prozent abgenommen hat. In der Schweiz gibt es keine Zahlen, ForscherInnen gehen jedoch von einem ähnlichen Rückgang aus.
Einen Einfluss hat der Rückgang vor allem auf Schweizer Brutvogelarten, 40 Prozent von ihnen ernähren sich ausschliesslich von Insekten. Erschwerenderweise kommt hinzu, dass die verbliebenen Insekten wegen durch Dünger dichteren Wiesen für Vögel schlechter erreichbar sind.
Anzahl der Baumpieper in den 90er Jahren zusammengebrochen
Bestandesindex Baumpieper Schweiz
So hat beispielsweise die Anzahl der Baumpieper, welche sich von Insekten und Spinnen ernähren, in den 90er-Jahren stark abgenommen, wobei sich der Bestand etwa um die Hälfte reduziert hat. Zwischen 2013 und 2016 wurde die Zahl noch auf 50’000 – 70’000 Paare geschätzt. Trotz der starken Abnahme ist der Baumpieper in der Schweiz aber noch nicht vom Aussterben bedroht.
Umweltziele Landwirtschaft verfehlt
Stärker betroffen als andere Brutvögel sind Langstreckenzieher. Sie legen jedes Jahr weite Strecken bis in die Subsahara zurück. Aufgrund ihres langen Weges führen bereits kleine Änderungen der Lebensräume zu erschwerten Bedingungen. Dies kann sie in Engpässe bringen. Sie müssen zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmen Ort sein, um ihren dichten Jahresplan einhalten zu können. Der Artenschwund der Langstreckenzieher ist vor allem in den unteren, von Menschen geprägten Lagen am dramatisten.
Rotkopfwürger in der Schweiz verschwunden
Bestandesindex Rotkopfwürger Schweiz
Ein solcher Langstreckenzieher ist der Rotkopfwürger. Er ernährt sich hauptsächlich von grossen Insekten und hat sich in der Schweiz in extensiv genutzen Streuobstgärten niedergelassen. Da viele Hochstamm-Obstgärten verschwunden sind und die verbleibenden stärker genutzt werden, ist der Rotkopfwürger in der Schweiz nahezu ausgestorben. In den letzten Jahren wurde kein Brutpaar mehr gesichtet.
Der Bund ist sich der Problematik bewusst. Bereits vor 20 Jahren hat er messbare Ziele im Bericht «Umweltziele Landwirtschaft (UZL)» definiert. Bis heute wurde jedoch keines dieser Ziele erreicht. Die Zielarten des Berichts haben sich seit 1990 halbiert, wie aus der untenstehenden Grafik ersichtlich ist. In der Grafik kann zudem der Trend weiterer Gruppen angezeigt werden. So ist beispielsweise auffällig, dass die Vogelpopulation im Wald in den letzten Jahren im Durchschnitt zugenommen hat. Das bedeutet aber nicht, dass der Bestand jeder Waldvogelarten seit 1990 zugenommen haben. So hat beispielsweise die Auerhuhnpopulation abgenommen.
Trend verschiedener Vogelgruppen
Swiss Bird Index (SBIⓇ)
Die Hauptursache des Problems sehen Experten bei den Direktzahlungen. Nur ein Fünftel dieser fliesst in die Förderung der Biodiversität. Der Grossteil wird für die Intensivierung der Produktion aufgewendet, welche die Umwelt besonders stark belastet: Die Subventionen verstärken das Problem also noch.
Der Bundesrat will dem Artensterben in der «Agrarpolitik AP 2022 plus» Rechnung tragen, indem natürliche Ressourcen effizienter genutzt werden sollen, die Umwelt geschont wird und die Biodiversität wirkungsvoller gefördert wird. Dies schreibt er in seiner Antwort auf eine Interpellation von Nationalrätin Claudia Friedl. Für den Bauernverband ist der Vorschlag des Bauernverbands aber zu kompliziert und kommt zu früh, wie das Schweizer Fernsehen diese Woche berichtete. Er unterstützt die Forderungen aber im Grundsatz.
Wer alle Schuld den Bauern gibt, tut ihnen unrecht. Bauern, die gut beraten werden, fördern die Biodivesität effektiver durch wirkungsvollere und vielfältigere Massnahmen. Dies schreibt die Vogelwarte Sempach in ihrem Zustandsbericht. Stellt sich die Frage: Warum sind die Bauern so schlecht informiert?
Update: Am 11. März hat Agroscope eine Medienmitteilung herausgegeben: «Echte Magerwiesen bleiben selten». Der Anteil der qualitativ guten, artenreichen Wiesen hat in den letzten 15 Jahren um etwa einen Drittel zugenommen. Artenreiche Magerwiesen würden aber nicht an allen Standorten wachsen, da der Boden nährstoffarm sein muss. Der reine Verzicht auf Düngen und späteren Mähen allein reichen dazu nicht aus.»
Swiss Bird Index (SBIⓇ)
«Als Grundlage für die Berechnung des Swiss Bird Index SBI® dienen die artweisen Indices der regelmässigen Brutvögel. Daten zur Bestandsentwicklung der einzelnen Vogelarten werden mathematisch zu einem Set von kombinierten Indikatoren (Artengruppen), dem Swiss Bird Index SBI®, verdichtet.
Der Swiss Bird Index SBI® besteht aus einem Gesamtindex über alle regelmässigen Brutvogelarten der Schweiz sowie weiteren Teilindices. Dabei werden die Arten nach Speziallisten von besonderem Interesse (Rote Liste, Prioritätsarten Artenförderung, Internationale Verantwortung), Habitaten (Wald, Leit- und Zielarten Umweltziele Landwirtschaft, Feuchtgebiete und Gewässer, Alpine Lebensräume, Siedlung) und gemäss dem SBI® Climate Change (Arten mit vorausgesagter Ab- bzw. Zunahme bei Klimaveränderung) eingeteilt. Alle Indices werden jährlich mit den neusten Resultaten aktualisiert.», Vogelwarte Sempach.
Quelle: Zustandsbericht Vogelwarte Sempach
Veröffentlicht in: Landwirtschaft