Beim Bienensterben geht es nicht um die Honigbienen

 |  10. März 2019
Nicht bedroht, solange es Imker gibt: Die Honigbiene (apis mellifera). (Bild: Pixabay)

Seit geraumer Zeit warnen Experten vor dem Bienensterben und die Debatte suggeriert, es gehe dabei um Honigbienen. In Wirklichkeit sind es Wildbienenarten, die vom Aussterben bedroht sind. Für die Biodiversität und die Landwirtschaft sind Wildbienen von weitaus grösserer Bedeutung als ihre domestizierten Verwandten.

Im Vorfeld des letztjährigen Weltbienentags hat eine deutsche Supermarktkette mit einer PR-Aktion in einer Hannoveraner Filiale für Aufsehen gesorgt. Unter dem Slogan „Biene weg, Regal leer“ hat sie sämtliche Produkte, die von der Bienenbestäubung abhängig sind, aus ihren Regalen entfernt. Das Resultat: 1500 Artikel, rund 60% des gesamten Sortiments, wurden aus dem Geschäft aussortiert. Äpfel, Kaffee, Schokolade, Fruchtsäfte, ölhaltige Pflegeprodukte, Haribo-Süsswaren oder Tiefkühl-Pizzen würden ohne die Bestäubungsleistung der Bienen den Weg in unsere Supermärkte nicht mehr finden – so die Message.

Die Aktion ist gelungen, sie löste weit über die deutschen Grenzen hinaus ein mediales Echo aus. Dennoch ist das dargestellte Szenario nicht sehr realistisch. Einerseits sind Bienen längst nicht die einzigen Bestäuber. Auch Fliegen, Wespen, Käfer, Motten und Schmetterlinge tragen wesentlich zur weltweiten Bestäubung der Pflanzen bei. Andererseits wird bei der Debatte um das Bienensterben immer wieder suggeriert, dass es um Honigbienen geht. In Tat und Wahrheit ist die Honigbiene aber gar nicht gefährdet.

Honigbienen sind nicht gefährdet

Anzahl Bienenstöcke weltweit seit 1961 (in Millionen)

Seit den Sechzigerjahren hat sich der weltweite Bestand der Honigbienenvölker laut Angaben der Food and Agriculture Organization (FAO) der Vereinten Nationen fast verdoppelt (über 100 Millionen Bienenvölker). Dabei ist wichtig zu erwähnen, dass die Bestandeszahlen der domestizierten Honigbiene von der Anzahl ImkerInnen abhängt. In der Schweiz beispielsweise hielten im Jahr 2014 rund 17’500 ImkerInnen 168’000 Bienenvölker. Nach dem zweiten Weltkrieg waren es circa 40’000 ImkerInnen, die rund 350’000 Völker für die kommerzielle Honiggewinnung nutzten1. ForscherInnen sind sich einig: Honigbienen wird es noch so lange geben, wie es ImkerInnen gibt.

Weniger Honigbienen in der Schweiz

Anzahl Bienenstöcke in der Schweiz seit 1961 (in Tausend)

Die PR-Aktion des Detailhändlers ist deshalb ärgerlich, weil das eigentliche Problem verkannt wird. Tatsächlich bedroht sind viele Wildbienenarten (in der Schweiz gibt es rund 580 verschiedene Arten). Sie gelten als besonders wichtige Bestäuber und haben eine zentrale Bedeutung für die Biodiversität. Sie bestäuben nicht nur früher, länger und in höheren Lagen als die domestizierten Honigbienen, sondern sind auch um einiges effizienter. Während die Honigbiene rund ein Drittel der nötigen Bestäubungsleistung erbringt, zeichnet sich die Wildbiene – zusammen mit anderen wildlebenden Insekten – für die restlichen Zweidrittel verantwortlich2. So werden beispielsweise für einen Hektare Obstbäume 600 Mauerbienenweibchen benötigt, für die gleiche Leistung bräuchte es rund 120’000 Honigbienen3.

Eine Aussage über den Gefährdungsgrad der Wildbienen zu treffen, ist aufgrund fehlender Daten nur begrenzt möglich. Die aktuelle Rote Liste mit den gefährdeten Arten in der Schweiz beispielsweise stammt aus dem Jahr 1994. Für die europäische Rote Liste der Wildbienen hat das europäische STEP-Projekt 2014 in Zusammenarbeit mit der Weltnaturschutzunion IUCN festgehalten, dass für die Mehrheit (56.7%) der europäischen Wildbienenarten verlässliche Daten fehlen.

In der Schweiz gibt es rund 620 Arten – nur eine davon ist die Honigbiene

Die Hauptursachen für die Bedrohung derjeniger Arten, für die es Daten gibt, sehen ForscherInnen vor allem in der Intensivierung der Landwirtschaft. Der hochtechnisierte und als Monokultur betriebene Ackerbau führt zum Verlust von unkultuvierten Lebensräumen, die als wichtige Nistplätze dienen. Problematisch ist zudem der weit verbreitete Einsatz von Insektiziden und Herbiziden. Des Weiteren gelten Klimaveränderungen als wichtiger Treiber für das erhöhte Aussterberisiko der Wildbienen. Die längeren Hitzeperioden und Sommerdürren beeinflussen die Vegetationszusammensetzung, was wiederum einen Effekt auf bedrohte Arten hat4. In Europa sind derzeit 113 der noch nicht bedrohten und 23 der vom Aussterben bedrohten Wildbienenarten direkt durch den Klimawandel gefährdet5.

Rostrote Mauerbiene. (Bild: Pixabay)

Die Landwirtschaft – als grösster Bedrohungsfaktor – ist dringend auf die flächendeckenden Insektenbestäubung angewiesen. Wie wichtig letztere für Schweizer Landwirtschaftsbetriebe ist, zeigt ein Blick auf die untenstehende Landkarte. Dargestellt ist der durch Honigbienen geleistete Bestäubungsdeckungsgrad. Über alle Obst- und Gemüsekulturen ergibt sich ein mittlerer empfohlener Deckungsgrad von 4.2 Honigbienenkolonien pro Hektare (ha) bestäubungsabhängiger Kultur mit einem Schwellenwert von 1.6, worunter der Deckungsgrad als ungenügend angenommen wird.6 Es ist deutlich zu erkennen, dass vor allem die französischsprechenden Kantone und die Regionen im Mittelland einen ungenügenden Deckungsgrad aufweisen. Dies sind zugleich die Hauptgebiete des Obst- (Bodenseeregion und Wallis) und Ackerbaus (Waadt, Freiburg und Bern).

In der Schweiz besteht Bestäubungsbedarf

Deckungsgrad pro Kanton durch Honigbienen (2014)

Gesamtschweizerisch profitieren von der rund einen Million ha landwirtschaftlicher Nutzfläche ca. 50’000 ha (5%) von der Bestäubung durch Insekten. Von den 275’000 ha Ackerland sind es 38’000 ha, was einem Anteil von 14% entspricht. Hinzu kommen 10’000 ha Obstanlagen, die stark auf eine ausreichende und stabile Bestäubungsleistung angewiesen sind. Landwirtschaftspolitische Massnahmen sind dringend nötig. Ohne eine ökologische Transformation des Kulturlandes und ohne Errichtung von Schutzgebieten besteht die Gefahr, viele der essentiellen wilden Bestäuber zu verlieren.

Wie kann ich einen Beitrag leisten?

Die meisten Wildbienen sind auf geeignete Nistplätze und ein sehr spezifisches Blütenangebot in deren Nähe angewiesen. Mit dem Anpflanzen verschiedener einheimischer Blumen (Blausterne, Traubenhyazinthen, Weissdorn) und Wildstauden kann ein Beitrag geleistet werden. Eine bunte Blumenwiese statt englischem Rasen kann Bienen vom Frühling bis Herbst die benötigten Pollen liefern. Wer in seinem Eigenheim nicht über einen Garten verfügt, kann mit Insektenhotels auf dem Balkon Abhilfe schaffen.

Daten und Methode

Die Daten für die ersten beiden Grafiken stammen von der Food and Agriculture Organization (FAO) der Vereinten Nationen. Die Daten zur letzten Grafik stammen aus einem Bericht von Agroscope, dem Kompetenzzentrum des Bundes für landwirtschaftliche Forschung.

Der in der letzten Grafik abgebildete Bestäubungsdeckungsgrad bezeichnet die Anzahl Honigbienenvölker pro ha bestäubungsabhängiger Fläche:

Deckungsgrad = Kolonien / ha


Quellen

1 Charrière et al. (2018): Bienenhaltung in der Schweiz. Agroscope.

2 Breeze et al. (2018): Pollination services in the UK: How important are honeybees?

3 wildbee.ch.

4 Rasmont et al. (2015): Climatic Risk Atlas of European Bumblebees.

5 Nieto et al. (2014): RL EU IUCN. European Red List of bees.

6 Breeze et al. (2014): Agricultural Policies Exacerbate Honeybee Pollination Service Supply- Demand Mismatches Across Europe.




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